Petruschkis Fahrt ins Blaue - Kapitel 26 - Die Dame im Pelz - Wer war sie und wer hat sie gemalt?
Im Sommer 22 immer noch Pandemie. Auf welche Weise weiß man nicht so genau, gefährlich bleibt es. Doch man kann wieder reisen… oder auch nicht. Die Luft brennt, die Wälder. Noch nie war es so heiß, das Klima kippt. Krieg ist.
Kunst und Katastrophe - Destrukivität, Zerstörungswut, Gleichgültigkeit gegen schöpferische Kraft.
Wenn Kunst was kann, dann das zu zeigen. Dass es das gibt. Kunst kann Fühlen, Spüren, Leben zeigen. Gleichgültigkeit und Destruktivität bekämpfen. Hätte ich gern, glaubte ich gern.
Im Kunstmuseum Basel gibt es noch bis Ende September 2022 eine interessante Austellung Picasso - El Greco. Was für ein schöner, einfacher Titel. Picasso war maßgeblich daran beteiligt, dass El Greco wiederentdeckt wurde und eine Renaissance erfuhr. Der Renaissancemaler und seine Renaissance in Zeiten der Moderne, nach Jahrhunderten in Vergessenheit.
“…rund 40 Gegenüberstellungen von Meisterwerken beider Künstler zeichnen diesen Dialog nach….Es werden hochkarätige Leihgaben aus aller Welt versammelt” Website des Museums
Eine dieser Leihgaben ist das Titelbild des Blogposts. Denn in Zeiten Picassos galt El Greco als Schöpfer dieses Bildes.
Wir sehen eine strahlend schöne junge Frau. Sie könnte ein Zelluloidstar aus den späten 30ern oder frühen 40ern des letzten Jahrhunderts sein, mit ihrem tiefgründigem Blick in Richtung unserer heutigen Zeit, dem leicht angedeuteten Lächeln und dem spektakulären Luchspelz.
Ihr Blick ist direkt auf den Betrachter gerichtet und so präsent, dass ich gleich einen Wimpernschlag von ihr erwarte oder dass sich die unmerkliche, winzige Mundbewegung in ein echtes Lächeln verwandelt. Und dass sie dann irritiert fragt, wo sie denn sei? “Wo bin ich?” So wie Schneewittchen. Und mich dann fragt, wer ich denn sei, mit einem immer ungläubiger werdenden Blick. Wegen meines bunten Sommerlappens, den ich trage, der meine Schultern sehen lässt und wegen meiner wirren grauen Haare. Vielleicht. Und vielleicht stellt sie sich dann vor und sagt: Gestatten, ich bin Infantin…oder würde sie sagen Prinzessin? Prinzessin Catalina Micaela von Spanien. (Prinzessin und Infantin sind zwei verschiedene Dinge, aber da schau ich jetzt nicht nach) Und dann könnte ich sie fragen, ob sie glaube, dass an den Gerüchten über ihren Halbbruder Don Carlos etwas dran sei, dass er ein Irrer war, vielleicht Inzestgeschädigt, der Wutausbrüche hatte und Tiere quälte, oder dass er Gedichte schrieb und ein Verhältnis mit ihrer Mutter, seiner Stiefmutter also, Elisabeth von Valois hatte. So wie es im Schillerschen Don Carlos steht. Wahrscheinlich würde ich sie eher nach Sofonisba Anguissola fragen .
Aber vielleicht ist die Dame im Pelz gar nicht die Infantin Catalina Micaela. Noch bis zur großen Greco Ausstellung Anfang der 2000er, die durch mehrere bedeutende Museen wanderte, schrieb man das Bild El Greco zu. 170 Jahre zuvor war es als das Porträt seiner Tochter ausgestellt worden. Nur hatte Greco wohl gar keine Tochter. Später sagte man, das Modell könnte die gleiche Person sein, die ihm für die Mater Dolorosa aus dem Jahr 1597 gesessen hatte. Das vorrausgehende Bild “Dame mit Blume” ist aus jener Zeit und scheint wirklich die gleiche junge Frau zu zeigen wie die Mater Dolorosa. Es wurde vermutet, dass es sich dabei um Jeronima de las Cuevas handelt, Mutter von Grecos Sohn. Viel mehr weiss man nicht über sie. Man weiss nicht, ob sie seine Geliebte oder Lebensgefährtin war oder weder das eine noch das andere. ( Mehr darüber im Kapitel 14 des Blogs El Greco- Das Grün zwischen Himmel und Erde.)
Schon auf den ersten Blick fällt der unterschiedliche Stil auf. Grecos Dame mit Blume hat dieses langezogene schmale Greco-Gesicht.
Weiter sehen wir den Ausschnitt eines Gemäldes, dass sicher die Infantin Catalina Micaela zeigt. Es wird Alonso Sanchez Cuello zugeschrieben.
Auch die Dame im Luchspelz soll nach neuesten Untersuchungen Alonso Sanchez Cuello gemalt haben. In dem Artikel: Lady in a Fur Wrap: Mystery of Glasgow painting revealed in BBC News vom 12. November 2019, wird erklärt, wie die Grundierungsfarbschichten mit den Farbschichten der Greco-Gemälde verglichen wurden. Die technische Analyse der Malfläche und die Untersuchung mikroskopischer Proben ergab, dass sich ihre Zusammensetzung von der anderer Arbeiten Grecos unterschied. Experten fanden, dass die Grundschicht der Dame mit dem Pelzcape hellgrau war, während die Arbeiten von El Greco mit einer bräunlich-roten Schicht grundiert waren. Ich fand in diesem Artikel allerdings keinen Verweis darauf, dass auch die Grundierungsschichten anderer Maler wie Anguissola oder Juan Pantoja de la Cruz, ein Schüler Cuellos, damit verglichen wurden.
Alonso Sánchez Coello lebte von 1531 bis 1588. 1560 wurde er Hofmaler. Man kennt von ihm vor allem konventionelle, formale Porträts des königlichen Hofes. Im Artikel der BBC News wird gesagt, man könne ihn nun auch mit weniger formalen Bildern in Verbindung bringen. Es wurde aber nicht weiter erläutert.
Es ist ohne Zweifel das gleiche Gesicht. Beide Werke sollen von Alonso Sanchez Cuello gemalt worden sein. Links sehen wir die 18-jährige Infantin Catalina Micaela im Hofornat. Rechts die gleiche Person einige Jahre später. Wenn ich mir das Porträt der Infantin anschaue, das wir weiter oben sehen können und das Cuello etwa zwischen 1582 une 1585 gemalt hat, denke ich gleich, dass es sich ebenso im Stil unterscheidet wie Grecos -Dame mit Blume-. Und ich verstehe nicht wie ihm die Dame im Luchspelz zugeschrieben werden kann. Denn Mode und Frisur zeigen eine Frau Mitte der 90er des 16. Jahrhunderts. Cuello aber starb bereits 1588. Ausserdem hatte die Infantin 1585 Herzog Karl Emanuel I. von Savoyen in Saragossa geheiratet und verließ den spanischen Hof, um in Turin zu leben. Während der gesamten Amtszeit von Catalina Micaela als Herzogin von Savoyen in Turin von 1585 bis 1597 lebte El Greco in Toledo, nachdem er von König Philip in Madrid abgelehnt worden war. Coello war unterdessen der Hofmaler Philipps II. in Madrid, aber er sah die Infantin das letzte Mal, als sie achtzehn Jahre alt war, zu jung, um die Frau auf dem Gemälde zu sein.
Das ist ein Porträt der Mutter von Catalina Micaela. Sofonisba Anguissola malte es Anfang der 60er Jahre des 16. Jahrhunderts. Es gehört zu den meist kopierten Gemälden in dieser Epoche. Auch Peter Paul Rubens hat es kopiert. Juan Pantoja de la Cruz malte diese Kopie 25 Jahre später. Er war Schüler Alonso Sanchez Cuellos und wurde nach dem Tod Cuellos zum wichtigsten Maler am spanischen Hof, bis er 1596 offiziell zum Hofmaler erklärt wurde.
Auch sein Name wurde im Zusammenhang mit Der Dame im Pelzcape genannt.
Über mehrere Jahrhunderte galt also El Greco als Autor, der aber seit letztem Jahr durch wissenschaftliche Untersuchungsmethoden ausgeschlossen wird. Daraufhin wurde Cuello genannt, weil er eine ähnliche Grundierung verwendete wie sie auf dem Bild zu finden ist, auch sein Schüler Juan Pantoja de la Cruz wurde in Betracht gezogen und… Sofonisba Anguissola.
Durch die große Ähnlichkeit mit früheren Porträts kann man sich ziemlich sicher sein, dass dieses Bild Katharina Michaela von Spanien als Herzogin von Savoyen zeigt. Ihre Kleidung, ihre Frisur und ihr Alter, das zwischen Mitte und Ende 20 sein muss, verweisen auf Mitte bis Ende der 1590er Jahre. Wenn wir uns noch mal klar machen, dass Catalina Micaela ab 1585 als Herzogin von Savoyen in Turin lebte, zwar in engem Briefkontakt mit ihrer Familie, aber selber nicht mehr nach Spanien zurückkehrte und wenn man sich vor Augen hält, dass El Greco, Cuello und Pantoja de la Cruz den weiten Seeweg von über 1000 Kilometern nicht angetreten haben, um sie zu malen, dann wird es immer wahrscheinlicher, dass Sofonisba Anguissola die Malerin dieses Bildes ist. Sie lebte nämlich von 1580 bis 1615 in Genua, etwa 200 Kilometer von Turin entfernt, eine fünf- oder sechstägige Reise mit der Kutsche oder dem Pferd. So hatte Sofonisba die Gelegenheit, eine ältere Catalina Micaela Ende zwanzig zu malen. Und sie waren sehr eng verbunden waren. Nach dem Tod von Isabel de Valois, der Mutter Catalinas, war Sofonisba am spanischen Hof geblieben und hatte die beiden Infantinnen unterrichtet. Mehr darüber im Kapitel 25 des Blogs Sofonisba Anguissola - Die Renaissancemalerfürstin. Sie hat wohl die Nähe zu ihr gehabt, um diesen privaten Blick einzufangen.
Aber vielleicht ist doch alles anders. Vielleicht hat Sofonisba Anguissola das Bild gemalt und das Bild ist nach Spanien geschickt worden, wo es Cuello kopierte. Die Farbschichten sprechen gegen Anguissola…vielleicht. Das Bild und seine Präsenz sind jedenfalls sehr faszinierend.
Die Dame im Pelzumhang kann man im Pollok House in Glasgow sehen. Und zur Zeit in der Ausstellung Picasso - El Greco bis zum 25.09.22 im Kunstmuseum Basel
Quellen: La dama del lince Cuaderno de Sofonisba
BBC News 12. November 2019