Petruschkis Fahrt ins Blaue - Kapitel 13 - El Greco - Knisternde Farben und die Feier des Vertikalen
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Im Dezember 2019 gingen wir auf eine Reise mit Bus und Bahn durch Spanien, Frankreich, Deutschland, Belgien, Großbritannien und Irland. Das Ziel war die Ausstellung Protest! von Derek Jarman in Dublin, auf dem Weg dorthin gab es soviel anzuschauen. Wir haben 21 Ausstellungen besucht und viele Geschichten entdeckt. Mehr darüber im 1. Kapitel Ins Blaue geträumt. Wir sind immer noch ganz am Anfang unserer Reise in Paris. Hier besuchen wir die Ausstellung Greco im Grand Palais. Es gibt nun 3 Kapitel über diese Austellung. Den zweiten Teil kann man hier anschauen: Das Grün zwischen Himmel und Erde und den 3. Teil hier: Der langen Glieder Tanz in Licht und Schatten
Nach einem Spaziergang an der Seine entlang in goldenem Licht kommen wir am Grand Palais an. Endlose Gatter sollen den Ansturm der Leute, die die Greco Ausstellung sehen wollen, in Bahnen lenken. Aber da sind keine Menschenmassen. Alles sieht ziemlich leer aus. Der drohende Generalstreik hat wohl viele Leute davon abgehalten, nach Paris zu reisen. Viel Polizei ist da mit gepanzerten Wagen. Wir müssen sie dreimal umkreisen, bis wir es schaffen, den Zugang zu den leeren Gatterwegen zu finden. Und mit ein paar anderen gehen und gehen wir die langen, leeren Gänge entlang, wie verlorenen Schäfchen. Bis wir dann vor einem netten kleinen Mann stehen, der ein bißchen angeschickert wirkt. Wir dürfen die Ausstellung betreten. Drinnen sind viel mehr Menchen als draußen. Anscheinend hat niemand die Gaderobe gefunden. Die meisten Besucher stehen in dicken Mänteln und mit großen Taschen vor den Bildern. Die Ausstellung ist ziemlich eng gehängt. Vielleicht, weil nur dieser recht kleine Teil des Palais, die nötigen hohen Räume für die großformatigen Bilder hat. Keine Ahnung…Und weil alle auch noch so winterlich dick gekleidet sind, bewegen wir uns im Widerspruch zwischen Meisterwerken voller spirituellem Glanz und verstopften Gängen. Leider kann man so einige Werke nicht mit der nötigen Entfernung betrachten.
Die Ausstellung “Greco” fand vom 18.Oktober bis zum 10.Februar 2020 im Gran Palais in Paris statt.
Kuratoren der Ausstellung:
Guillaume Kientz, Curator of European Art, Kimbell Art Museum, Fort Worth und Charlotte Chastel-Rousseau, Curator of Spanish and Portuguese Painting, Department of Paintings, Musée du Louvre. Sehr viele Gemälde dieser Ausstellung waren erstmals in Europa zu sehen, weil sie amerikanischen Museen gehören.
Einen Großteil der Ausstellung konnte man noch bis Oktober 2020 im Art Institute of Chicago sehen, in der Ausstellung ‘El Greco: Ambition and Defiance’. Mir gefällt dieser Titel “El Greco - Ehrgeiz und Widerstand”. Greco schien sich immer bewusst zu sein, was für eine ausserordentliche Begabung er hatte. Und diese Begabung hat er beharrlich und stolz verteidigt. Die Ausstellung kann man immer noch auf virtuellem Weg besuchen, es gibt eine Video und eine Audio Tour, dazu verschiedene Artikel.
Zum Titelbild:
Das ist eines von ungefähr 5 Gemälden Grecos, die die reuige Maria Magdalena zeigt. Es stammt aus der frühen Zeit Grecos in Toledo und muss zwischen 1576 und 1578 entstanden sein. Das Sujet war in der Gegenreformation sehr beliebt, als Darstellung von Reue und Büßertum. 50 Jahre später malte Artemisia Gentileschi ganz andere Magdalenen. Die Magdalena als Melancholie schaut den Betrachter aus halbgeschlossenen Augen an, die Magdalena in Extase scheint eher wollüstig zu träumen. Wer sich das gerne nochmal anschauen möchte, hier ist der Link. Diese Magdalena von El Greco ist heute im Budapester Museum der Schönen Künste zu sehen.
Alles schimmert, die Augen im Blick gen Himmel, die Haut, der Stoff, die zarte Brust, die sich fast im Mittelpunkt des Bildes befindet. Reue ist sinnlich und zart und zerbrechlich. Der weite Umhang, dessen Blau in ein fahles Mauve ausfließt, gibt die nackte Schulter und den Busen frei. Der Hinweis auf Magdalene als ehemalige Prostituierte. Im Hintergrund sieht man eine kühle Landschaft vom Mondlicht beschienen. Der Himmel ist stückweise strahlend blau, wirkt aber eisig zusammen mit dem Weiss und den dumpfen Farben der Landschaft. Auch die Formen der Wolken, der Felsen, des Tuches erinnern trotz der Zartheit an Eis und kalte Härte.
“Aus dem Unbekannten, aus den Hochzeiten, die man in ihm feiert und die Meisterwerke möglich machen, daraus zieht Greco die göttliche Verwesung seiner Farben, sein Gelb und sein Rot, die nur er allein wie die Posaunen der Engel erklingen lassen konnte.”
Jean Cocteau
Grecos Farben, die langen schmalen Gesichter und Körper, die sich wie Pflanzen zum Sonnenlicht in die Höhe recken, die in Tränen schwimmenden oder fiebrigen Augen, alles das ist bis heute unvergleichlich. Wieviel Kraft muss er gehabt haben und wieviel Selbsvertrauen in sich und seine Kunst, um diese eigene Art zu malen beizubehalten und damit Erfolg zu haben….
Er konnte als Künstler nicht eingeordnet werden, erlangte aber trotzdem Anerkennung und genug Aufträge, um davon gut zu leben. Er hat mit seinen Bildern etwas geschaffen, das im weitesten Sinne spirituell ist, unabhängig von Religion und Kirche, vielmehr handelt es vom Mensch-Sein, vom Ausgesetzt-sein, vom Sehnen und Leiden, weit über jede Mode oder Zeiterscheinung hinaus. Doch nach seinem Tod wurde er schnell vergessen und erst zu Beginn des 20.Jahrhunderts wiederentdeckt.
Die Hände faszinieren mich. Darum tauchen sie hier als Detail auf. Ich finde sie wunderschön. Wunderschön in ihrer Bewegung.
Der Heilige Lukas malt eine Ikone der Jungfrau mit dem Kind
Um 1560/67
Athen, Benaki Museum
Dieses Gemälde zählt zu den frühesten erhaltenen Werken El Grecos. Es entstand noch bevor El Greco nach Venedig ging, so um das Jahr 1567 auf Kreta. Wir sehen den Evangelisten Lukas als Maler. Der legende nach malte Lukas Maria mit dem Kind, als er sie in einer Vision gesehen hatte. Damit wurde er zum Schutzheiligen der Maler. Lukas war auch der Schutzpatron der Malergilde in Candia, der kretischen Heimatstadt El Grecos.
Man sieht hier, dass Greco sich sehr bald für die Malerei der Renaissance interessierte. So ist die Räumlichkeit ganz anders als in der byzantinischen Ikonenmalerei. Zwar ist dieses Bild stark beschädigt, aber man sieht die großen Fähigkeiten Grecos als Ikonenmaler an der Darstellung der Madonna mit dem Kind auf der Staffelei.
El Greco, eigentlich Domínikos Theotokópoulos wurde 1541 auf Kreta geboren. Er machte dort eine Ausbildung als Ikonenmaler. Schon 1566 wird ein Menegos Theotokópoulos als Meister der Malerei erwähnt. Er war wohl sehr erfolgreich, denn einige Quellen bezeugen, dass für seine Bilder früh ein hoher Preis gezahlt wurde.
Durch einen Brief vom 18. August 1568 weiss man, dass er sich in Venedig aufhielt. Er malte dort zahlreiche Bilder und näherte sich den venezianischen Künstlern Jacopo Bassano, Jacopo Tintoretto und Tizian an. Anstatt des goldenen Hintergrunds der Ikonen malte er nun perspektivische Räume. Ausserdem wechselte er von der Temperamalerei zur Ölmalerei auf Leinwand. Doch legte er bis an sein Lebensende noch viele seiner Gemälde mit Temperafarben an und führte sie dann mit Ölfarben aus. Grecos intensive Farben der Gewänder, die zum Teil fast unharmonisch nebeneinander stehen und seine so eigene Gestaltung des Lichts gehen auf seine Zeit in Venedig zurück.
Knabe, der eine Kerze entzündet
Um 1570-1572
Neapel, Museo e Gallerie Nazionali
1570 wird Greco von seinem Freund, dem Miniaturenmaler Giulio Clovio nach Rom an Alessandro Farnese empfohlen, der dort sein Förderer wird und für den er wohl dieses Bild “El Pavon” gemalt hat. Das Gemälde zeigt einen Jungen, der auf ein Stück glühende Kohle bläst, um eine Kerze anzuzünden. In der italienischen Malerei des 16. Jahrhunderts war es nicht üblich solche Alltagsszenen darzustellen. Alltagsszenen wurden, wenn überhaupt, in einem Heiligenbild oder in Gemälden mit religösem Sujet hineingestellt. Aber El Greco schien diese Szene wichtig genug und es ist so wunderschön, wie er hier mit dem Licht arbeitet. Wie die glühende Kohle und der schon entflammte Docht das Gesicht des Kindes in seinem ganzen Ernst und Konzentration erleuchtet. Schönheit und große Lebendigkeit. Obwohl Greco später hauptsächlich religiöse Bilder malte, findet sich in seinen Schriften nie ein Verweis auf Religion oder Glauben. Er muss auch von dem antiken Gelehrten Plinius dem Älteren gewusst haben, der genau diese Szene beschrieben hat. Mag sein, dass er zeigen wollte, wie gebildet er war. Er bemühte sich um eine anerkannte Stellung in Rom.
Was ist das für ein Blick? Müdigkeit, eine gewisse zurückhaltende Freundlichkeit und Klarheit. Ich schaue dem Mann ins Gesicht und sein Blick ändert sich, so als würde er im Moment etwas erzählen oder sogar mit mir, seinem Gegenüber kommunizieren. Sein Blick geht nach innen wie nach aussen. Der hier Dargstellte ist wahrscheinlich der Architekt Andrea Palladio. El Greco interessierte sich seit seiner Zeit in Italien ganz besonders für Architektur und viele seiner großformatigen Gemälde haben einen architektonischen Aufbau. Im Farnese-Palast in Rom bewegte er sich in humanistischen und intelektuellen Kreisen. Viele dieser Menschen wurden Freunde und Förderer.
Er bewunderte den Architekten Andrea Palladio. Er war der bedeutendste Architekt der Renaissance in Oberitalien und gilt als erster Berufsarchitekt überhaupt. Er war der Sohn eines Müllers und machte eine Lehre als Steinmetz. Der Dichter Trissino erkannte seine Begabung und förderte ihn. Sein Lebenswerk ist erstaunlich. Dazu gehören auch mehrere, zum Teil selbst illustrierte Bücher über Architektur. Vielleicht sehe ich deswegen die Müdigkeit in diesem Blick. Am Tag bauen, in der Nacht schreiben und studieren.
Christus vertreibt die Händler aus dem Tempel oder auch Die Tempelreinigung, um 1575, Minneapolis Institute of Art, Minneapolis
In diesem Frühwerk, das er in Rom malte, orientierte sich Greco an Tizian und Tintoretto.
Christus’ Vertreibung der Geldwechsler, die den Tempel in Jerusalem entweihten, war ein beliebtes Thema in der Kunst der Gegenreformation. Für die Katholiken symbolisierte es die Reinigung der Kirche durch interne Reformen und die Vertreibung protestantischer Ketzer. El Greco verwendet hier verwirrende Linien, der Raum ist konfus gestaltet und das Licht fällt ganz unlogisch. Das schafft eine Atmospäre von Wut und Zerstörung. Hier erscheint noch seine vollständige Unterschrift in griechischen Buchstaben auf der Stufe unter Christus. In der unteren rechten Ecke porträtierte El Greco die für ihn wichtigsten Renaissancekünstler: Tizian, Michelangelo, Giulio Clovio ( der Miniaturenmaler, der in förderte) und Raphael.
Zum Vergleich ist hier dasselbe Thema 35 Jahre später von El Greco gemalt.
Der ganze Hintergrund und die räumliche Beschreibung ist viel abstrakter. Obwohl es zum Teil Figuren mit der exakt gleichen Haltung gibt, wirken die Körper im späteren Bild wie in der augenblicklichen Bewegung. Eigentlich gibt es nicht viel mehr Figuren, aber es scheint ein Gewühl von Leibern. Auch das Licht ist so dermaßen gesteigert, das die Farben ganz grell herauskommen. Es nimmt schon in Zügen den 300 Jahre späteren Expressionismus vorweg.
Johannesevangelium 2, 13-16 Das Paschafest der Juden war nahe und Jesus zog nach Jerusalem hinauf. 14 Im Tempel fand er die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben und die Geldwechsler, die dort saßen.
15 Er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle aus dem Tempel hinaus, dazu die Schafe und Rinder; das Geld der Wechsler schüttete er aus und ihre Tische stieß er um.
16 Zu den Taubenhändlern sagte er: Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!
Farben Füsse Stoffe Hände - die Entkleidung Christi gemalt für die Sakristei der Kathedrale von Toledo, wo es noch immer hängt. El Greco reiste 1577 nach Spanien und lies sich in Toledo nieder. Sein Freund Luis de Castilla hatte den Maler seinem Vater Diego de Castilla empfohlen, der Dekan der Kathedrale von Toledo war. Er bekam drei große Aufträge von ihm. In Spanien sah man zu dieser Zeit Maler lediglich als Handwerker, die das auszuführen hatten, was der Auftraggeber wollte. Aber El Greco verschaffte sich Respekt, indem er sich die künstlerische Freiheit einfach nahm. Nicht ohne Widerstand hervorzurufen. So warf man ihm vor, eine Szene gewählt zu haben, für die es in der Bibel keine Quelle gibt. Außerdem sei es unangemessen, Gesichter in der Menge zu zeigen, die über dem Kopf Jesu plaziert sind.
Es ist eine Geschichte, die durch Gesichter erzählt wird. Wir sehen Jesus im Zentrum des Bildes. Er schaut mit einem leichten Lächeln in den Himmel nach oben und sieht unantastbar aus. So als gäbe es eine natürliche Grenze zwischen ihm und den Peinigern. Eine Figur in den hinteren Reihen zeigt anklagend auf ihn. Direkt hinter ihm scheinen zwei zu streiten, wer seine Kleider haben darf. Ein Mann in giftigem Grün gekleidet hält Christus an einem Seil und es sieht aus als befühle er den Stoff des Gewandes. Im unteren Teil des Bildes bohrt ein in gelb gekleideter Mann ein Loch in einen Balken. So soll der Nagel, der bei der Kreuzigung durch die Füße Jesu getrieben wird, leichter eindringen. Am rechten Teil unten sehen wir die drei Marien, die heller sind als die übrigen Figuren. Sie werden vom strahleden Christus illuminiert. Das Gesicht Jesu ist erleuchtet und steht in seinem verklärten und ruhigen Ausdruck im Gegensatz zur Aufgeregtheit und Aggresssion der Gesichter um ihn herum. Das Gewand ist in leuchtendem Purpur gemalt. Das Blau und Gelb im unteren Teil und das Blau des Himmels unterstreichen die Macht dieses Rots. Der Faltenwurf und die Behandlung des einfallenden Lichts sind von großer Kunst. Das Gewand wirkt in seiner Stofflichkeit wie eine in Stein gehauene Skulptur. El Greco schaffte hier eine Verbindung vom Antinaturalismus der byzantinischen Malerei mit der venezianischen Farbgebung und dem Manierismus.
Hier ein in Video über die Restaurierung dieses Bildes:
El Greco Mariä Himmelfahrt 1577- 1579
Und da sind wieder diese unglaublichen Farben. Diese so eigene Stofflichkeit (oder Textur) der Gewänder. Bei den Engeln sieht es aus, als wären ihre Kleider aus Libellenflügeln gemacht. Das Bild ist fast 4 Meter hoch und mehr als 2 Meter breit. Von ganz unten schaut man hoch zu Maria, die auf einer Mondsichel in die Höhe schwebt. Aber dieses Schweben sieht aus als hätte es Geschwindigkeit. Maria wird von Engeln gestützt und umflattert. Die Jünger, um ihr Grab versammelt, schauen ungläubig und fassungslos zu ihr auf. Atemberaubend, der Blick in die Höhe, die Perspektive gebrochen und durch die roten und azurblauen Farbflächen wieder verbunden. Und das Bild scheint mehrere Etagen zu haben. Hier sieht man wie stark El Greco mit der Architektur verbunden ist. El Grecos Pinselstrich ist kräftig und zeigt seine große Sicherheit. Auch an seiner Signatur sieht man das. Er hat rechts unten einen Zettel gemalt, der aussieht als sei er auf der Oberfläche des Bildes befestigt. Darauf hat er recht groß mit seinem Namen unterschrieben.
Bis zu diesem Zeitpunkt gab es kein Altarbild in Spanien, das auf diese Art und Weise konzipiert war.
Anbetung des Namens Jesu (Traum Philipps II.)
Um 1577/80
Real Monasterio de San Lorenzo de El Escorial
Dieses Gemälde schuf El Greco für König Philipp II. Der übliche des Gemäldes Titel lautet: "Die Anbetung des Namens Jesu." Ganz oben in der Mitte erscheinen zwischen Wolken die Buchstaben IHS, also das Monogramm Christi. Das Nomen sacrum IHS leitet sich von den ersten drei Buchstaben des Namens Jesu in griechischen Großbuchstaben ab, Ι Η Σ Ο Υ Σ, wobei das Sigma durch ein lateinisches S ersetzt ist. In schwarzer Kleidung sieht man im Vordergrund den knieenden König Philipp II. In der oberen Hälfte umfliegen die Engel den Namen Christi. Leuchtendes Blau, Gelb, Rot und wieder die transparente Gaze der Libellenflügel. Sie haben aufmerksame freundlich schöne Gesichter. In der unteren Hälfte tobt eine Art jüngstes Gericht. Viele Gläubige beten denNamen Christi an bis in weiter Ferne. Ganz rechts sehen wir das Tor zur Hölle, oder besser gesagt den Höllenschlund, ein unerbittliches Haifischmaul oder das geifernde Maul des Höllenhundes in das die Ungläubigen gesogen werden. Und obwohl ich da noch zwei Fetzen Blau sehen kann, sind sie alle ganz schnell nackt und weiter innen nur noch Skelette. In der Mitte der unteren Hälfte sehen wir eine Art Blutstrom in den die Ungläubigen oder die Sünder geworfen werden. Der König befindet sich zwischen hohen Kirchenmännern, er ist als Kämpfer der Gegenreformation und als Erhalter der katholischen Kirche dargestellt.
Aber das Bild schien dem König nicht gefallen zu haben, er erteilte El Greco nur noch einen einzigen weiteren Auftrag.
Rote Hände….ich fragte mich, was das bedeuten sollte. Später erfuhr ich, dass Bischöfe rote Handschuhe und Schuhe tragen, die die Wundmale Christi symbolisieren sollen. Und über dem Handschuh kommt ein Ring.
Und dann sind da diese Füße im Himmel. Ich weiss nicht, warum sie mich dermaßen faszinieren. Diese fliegenden Fusssohlen in der Luft. Und obwohl die Farbigkeit irre ist, surreal, wirken diese fligenden Engelsfusssohlen so greifbar und gegenwärtig, sozusagen ganz erdverbunden. Und sogar ein bisschen schmutzig.
“Die Anbetung der Hirten” aus Fondación Botin gilt als eine der Überraschungen der Pariser Ausstellung.
Zuerst ist mir Hieronymus aufgefallen im Vordergrund, der den Betrachter etwas finster anschaut und das glückliche Ereignis auf der Heimorgel begleitet. Die Orgel ist eigemtlich ein Buch, der Heilige Hieronymus war sagenhaft gebildet und hat einige Bücher geschrieben. Er taucht hier wohl auf, weil der Kirchenvater 34 Jahre in Bethlehem lebte und dort große Teile des Alten Testaments übersetzte. Es ist eine seltsame Figur, die so gar keine Freude über die Geburt des Jesuskindes zeigt. Vielleicht weil der Zeitreisende aus dem Jahr 400 nach Christus wusste, wie die ganze Geschichte 33 Jahre später ausgeht - ans Kreuz genagelt. Ungewöhnlich an dieser Szene sind auch die beiden klassisch gekleideten Damen. In diesem Gemälde nimmt El Greco Bezug auf das Pseudo-Mathäus-Evangelium der Apokryphen. Wie mit diesen beiden Hebammen, die am Eingang der Krippe / Höhle warten, weil der Glanz zu groß ist. Der Halbmond über ihnen symbolisiert Marias Jungfräulichkeit vor und nach der Geburt. Und Ochs und Esel mit ihren Hirten sind da. Seltsam ist auch die Wolke mit den kleinen wirblenden Engeln. Die Gaze da oben an der Decke sieht so amorph aus wie ein merkwürdiges Lebewesen. Diese Tiefseefische, die durch die Dunkelheit ganz durchsichtig sind. Ich glaube, es pulsiert. Und sendet Licht aus. Gelbstichiges Rot der Tunika des Hieronymus und das blaustichige Rot des Kleides der Maria…
Dieses Bild hing nicht in der Ausstellung. Ich finde aber die Gegenüberstellung faszinierend. Diese Version der Anbetung der Hirten gilt als das letzte Werk El Grecos. Er hatte es 1612 begonnen und kurz vor seinem Tod beendet. Es war dazu bestimmt über seinem eigenem Grab zu hängen. Die Körper sind stark verzerrt. Der Hell-Dunkelkontrst ist dramatisch. Alles ist in Bewegung, als drehten sich die Figuren um das Licht spendene Christuskind.
Veronica mit dem Schweisstuch, 1580, Toledo
Unglaublich diese beiden Gesichter nebeneinander. Der direkte Blick Christi und das ätherische Gesicht der Veronika, die in eine andere Richtung schaut. Nach der Legende hat Veronika Christus auf dem Weg nach Golgatha den Schweiss vom Gesicht gewischt, danach waren seine Gesichtszüge auf dem Tuch zu sehen. Als Reliquie wird das Schweisstuch der Veronika im Vatikan aufbewahrt. El Greco wechselt hier die Ebenen: Veronika ist viel ungreifbarer und viel mehr Geistwesen, während Christus so dreidimensional aus dem Bild schaut, als spräche er den Betrachter gleich an.
Viele Jahrhunderte fragte man sich mit wechselnder Dringlichkeit. ob ein Mensch ein Abbild von Gottes Sohn schaffen dürfe, ob er überhaupt könne. So tauchten ab dem 6. Jahrhundert diese Gesichtsabdrücke Jesu auf, die angeblich nicht von Menschenhand gemacht waren. Eine Art Kunstgriff, um das Problem zu umgehen. Es hielt sich aber lange und auf dem folgenden Gemälde Zurbarans sieht man auch auf dem Tuch nur noch einen leichten Schatten. Der Betrachter muss sich seinen eigenen Christus vorstellen.
Ein überaus interessantes und spannendes Buch zu dem Thema ist “Das echte Bild” von Hans Belting -Bildfragen als Glaubensfragen. C.-H.-Beck-Verlag, München, 2005
Im nächsten Kapitel gibt es schöne Farben und Spekulationen über El Grecos Privatleben….…